26. Januar 2024

Holocaust-Gedenktag in Saarlouis: Damit das „Nie wieder“ Wirklichkeit wird


Rund 50 Schülerinnen und Schüler des Stadtgarten-Gymnasiums in Saarlouis haben heute - anlässlich des Gedenktags für die NS-Opfer am 27. Januar - gemeinsam mit dem Ökumenischen Arbeitskreis der Opfer ihrer Heimatstadt gedacht.

 „Alexander, Albert, 58 Jahr, Alexander, Blondine, 53 Jahre, Alexander Lucie Luise, 13 Jahre…“, die Namen der 134 aus dem Saarland am 22. Oktober 1940 in das Lager Gurs deportierten Jüdinnen und Juden hallen durch die evangelische Kirche in Saarlouis. Verlesen werden sie am Freitag von Schülerinnen und Schüler des Saarlouiser Stadtgarten Gymnasiums anlässlich des diesjährigen Gedenktags für die Opfer des Nationalsozialismus, der in Deutschland seit 1996 begangen wird. Symbolisch stecken sie die Namenszettel der Deportierten in eine Klagemauer. 

Gemeinsam mit dem Ökumenischen Arbeitskreis Saarlouis haben etwa 50 Zehntklässlerinnen und Zehntklässler aus zwei katholischen und einem evangelischen Religions-Kurs der Opfer des Nationalsozialismus ihrer Heimatstadt gedacht. „Das Thema wühlt die Schülerinnen und Schüler auf“, sagt Religionslehrer Sascha Jahn. Sowohl am Krieg im Nahen Osten als auch an den Ereignissen in Deutschland gebe es großes Interesse. Im Unterricht hat seine Klasse die Sendung des Medienhauses „Correctiv“ über das Geheimtreffen vergangenen November in Potsdam geschaut, bei dem Rechtsextremisten die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland geplant haben sollen. „Das hat alle noch mal wachgerüttelt. Die Betroffenheit ist groß“, sagt Jahn. „Lebensfeindliche Positionen werden immer lauter. In den Sozialen Medien, aber auch auf der Straße. Viele Menschen haben Angst und fühlen sich nicht mehr sicher“, sagt auch die 15-jährige Joy.

Bekenntnis für Würde jedes Einzelnen

Auch Schüler ihrer Schule – damals noch eine Knabenschule – sind Opfer des Nationalsozialismus geworden. An sie erinnerten die Schülerinnen und Schüler, etwa an Erich Salomon: Er war 18, als 1938 die Synagogen angezündet wurden. Sein Schicksal ist ungeklärt. Paul Lichtenstein, 19 Jahre, gelang die Flucht nach Brasilien, Peter Bloch floh als Zwölfjähriger 1935 nach Frankreich und kehre nach 13 Jahren nach Saarlouis zurück, wo er bis zu seinem Tod lebte. „Dein Vertrauen wollen wir heute rechtfertigen“, bekannten die Schüler. 

Mit dem Gedenken solle keineswegs ein historisch schlechtes Gewissen beruhigt werden, betont Sascha Jahn: „Sondern wir übernehmen Verantwortung, dass das viel beschworene ,Nie wieder‘ Wirklichkeit wird. Wir stellen uns gegen Faschismus und Rassismus und bekennen uns zur Gleichheit aller und zur unveräußerlichen Würde eines jeden.“ 

Es fing nicht mit den Deportationen an

An mehreren Stationen in der Saarlouiser Innenstadt halten die15- und 16-Jährigen inne. An Stolpersteinen von deportierten Juden, aber auch anderen verfolgten Gruppen wie Kommunisten oder Menschen mit Behinderung legen sie weiße Rosen nieder, stellen sofern bekannt - die Biographien der Ermordeten vor und ehrten sie mit einer Schweigeminute. Besonders berührte die Zehntklässler das Schicksal der zehnjährigen Marlies Löb, die wegen einer Wachstumsstörung gegen den Willen ihrer Familie in eine „Heilanstalt“ kam und ermordet wurde.

„Es fing nicht mit den Deportationen an, sondern bereits Jahre zuvor“, sagt der evangelische Pfarrer Jörg Beckers. Etwa durch die Rassegesetze, Boykottaufrufe und Berufsverbote für Juden. Auf dem Gelände des ehemaligen Schlachthofs wurden am Morgen des 10. Novembers 1938 Juden aus Saarlouis zusammengetrieben und deportiert. „Das machte nicht nur die SA, sondern es gab eine hohe Bereitschaft in der Zivilbevölkerung, bei der Aktion mitzumachen“, so Beckers, „es war in Saarlouis die erste staatliche gelenkte Judenverfolgung.“ Er erinnerte auch an die Zerstörung der Saarlouiser Synagoge und jüdischer Wohnungen in der Pogromnacht. 

Letzte Station ist der jüdische Friedhof, den die meisten zum ersten Mal besuchten. „Manche Gräber mögen für unsere Augen verwahrlost wirken, hat aber mit dem jüdischen Respekt für die Totenruhe zu tun: Wird ein Grabstein im Laufe der Jahre schief oder kippt ganz um, wird er so gelassen, um die Toten nicht zu stören“, erklärt Pastoralreferent Reinhold Hedrich. Die Schüler legten kleine Steine auf die Grabsteine – im Judentum ein Ausdruck dafür, dass die Verstorbenen nicht vergessen werden.





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