29. April 2024

Fachkräfteaustausch: Erste Erzieherin aus dem Kongo in der Evangelischen Kita Saarlouis


Seit Ende 2023 ist Aline Katungu Bulere aus Goma (Kongo) im Rahmen des ersten Fachkräfteaustauschs zwischen dem Saarland und Goma als Erzieherin in der Evangelischen Kindertagesstätte Saarlouis tätig. Schon nach wenigen Monaten zeigt sich: Der inhaltliche Austausch fruchtet in beide Richtungen.

Noch ist vieles ungewohnt im neuen Alltag von Aline Katungu Bulere im Saarland. Etwa, dass man ein Ticket kaufen muss, wenn man in den Bus einsteigt – in ihrer Heimat bezahlt man die Fahrt beim Ausstieg. Die 27-jährige stammt aus der Stadt Goma im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Seit Dezember arbeitet sie als Erzieherin in der Evangelischen Kindertagesstätte Saarlouis. Dort bringt sie den Kindern die Kultur ihres Heimatlandes, aber auch ihre französische Muttersprache näher.

Partnerschaft zwischen den Kirchenkreisen Saar-West und Goma entwickelt sich

Möglich wurde das unter anderem durch ein Austauschprojekt für Fachkräfte im Elementarbereich der Evangelischen Kirche im Saarland.
Fast 40 Jahre gibt schon eine Partnerschaft zwischen dem Evangelischen Kirchenkreis Saar-West (vormals Saarbrücken) und dem Kirchenkreis Goma der Baptistischen Kirche im Zentrum Afrikas (CBCA). Ging es in den ersten Jahrzehnten vor allem um Entwicklungshilfe, sprich finanzielle Unterstützung, entschieden sich die Verantwortlichen 2016, die Partnerschaft inhaltlich neu auszurichten.
Künftig sollte es mehr um Aspekte des gegenseitigen (Kennen-)Lernens, des Kulturtransfers und der Bildungsarbeit gehen. In diesem Zusammenhang entstand auch die Idee des Fachkräfteaustauschs zwischen Kindertageseinrichtungen. „Wir möchten uns auf Augenhöhe begegnen“, sagt Barbara Johann, die als derzeitige Vorsitzende des Partnerschaftsausschusses den Austausch mit initiiert hat. Die Partnerschaft wird so persönlicher.

Mit Aline Bulere, der Leiterin der École maternelle Kikambi in Goma, war schon 2019 eine passende Erzieherin gefunden. „Aus Neugier“ habe sie sich für das Pilotprojekt beworben. „Ich wollte lernen, sehen wie in Deutschland der Alltag in einem Kindergarten aussieht“, sagt sie. Voller Motivation fuhr sie fortan regelmäßig für Deutschkurse an das nächste Goethe-Institut im Nachbarland Ruanda. Auch die deutschen Partner waren glücklich, „so eine taffe junge Frau“ als Vorreiterin des Austauschs gefunden zu haben, wie Pfarrer Hans-Jürgen Gärtner betont. Als regionaler Ansprechpartner der Vereinten Evangelischen Mission hat er mit dazu beigetragen, das Projekt zu ermöglichen.

Organisatorische Hürden

Bis es aber soweit war, dass Aline nach Deutschland reisen könnte, sollte es noch mehrere Jahre dauern. Obwohl sich die Organisatoren rasch einig waren, kamen unverhofft Hindernisse dazwischen.
„Zum einen natürlich die Pandemie, zum anderen aber auch bürokratische Hürden“, bedauert Johann. Da zahlreiche Behörden an dem Verfahren beteiligt werden mussten, folgte ein monatelanger Verwaltungsmarathon. Licht am Horizont kam schließlich durch das saarländische Projekt „Bilinguale Kita“. Ziel des Projektes ist es, mittels französischsprachiger Fachkräfte den Kleinsten spielerisch die Sprache des Nachbarlandes nahezubringen. Der Vorteil: Für frankophone Fachkräfte ohne deutschen Pass ist das Anerkennungsverfahren vereinfacht. Und einen weiteren Pluspunkt bringt das Projekt: Aline Bulere ist für die Dauer des dreijährigen Projekts regulär angestellt in der Kindertagesstätte. Somit ist sie gleichberechtigtes Mitglied des Teams und erhält ein normales Erzieherinnengehalt, mit dem sie ihren Lebensunterhalt in Deutschland selbst bestreiten kann. In den Anfängen des Projekts war noch mit einem Praktikum geplant worden.

Gleichsam erhielt der Fachkräfteaustausch mit dem bilingualen Projekt eine Bedeutungserweiterung, geht es doch nun nicht nur um Kultur-, sondern auch um Sprachvermittlung. Das geschieht derzeit im regulären Kita-Alltag, indem Aline beispielsweise im Morgenkreis auf Französisch übersetzt, was ihre Kollegin zuvor auf Deutsch zu den Kindern gesagt hat. Perspektivisch könnte sie sich aber vorstellen, darüber hinaus täglich eine halbe Stunde spielerischen Französischunterricht anzubieten. Eine Idee, die von der Saarlouiser Kita-Leitung ausdrücklich begrüßt wird.
Wie sie einen solchen spielerischen Unterricht didaktisch umsetzen könnte, weiß Aline wiederum aus ihrer Heimat. Denn im Kongo sind die École maternelles eher Vorschulen als Kindergärten, Erzieherinnen sind mehr Kindergartenlehrerinnen. Es gibt Stundenpläne und Bildungsprogramme und klar strukturierten „Unterricht“ auf altersgerechtem Niveau. „Die Kinder erhalten am Ende des Jahres ein kleines Zertifikat mit dem, was sie Neues gelernt haben“, erzählt Aline. Diese Tradition mit den Zertifikaten könnte sie sich in Saarlouis ebenfalls vorstellen.

 Wechselseitiger Austausch

Überhaupt fruchtet der inhaltliche Austausch in beide Richtungen. Schon nach wenigen Monaten fallen Aline mehrere Errungenschaften deutscher Kitas ein, die sie gerne in Goma einführen würde, wenn sie wieder dort ist.
„Ich werde anregen, manches von der deutschen Bauweise bei uns umzusetzen“, sagt sie. Vor allem die Idee mit den Türgriffen, die bei Außentüren hoch, bei Innentüren niedrig angebracht sind, gefalle ihr gut. Ebenso der umzäunte Spielplatz im Außenbereich. Ihre Einrichtung in Goma liege direkt an der Hauptstraße. Mit einem Zaun, wie sie ihn in Saarlouis kennengelernt hat, könnte man das Außengelände sicher zugänglich machen. Und sie gerät ins Schwärmen, wenn sie von dem reichhaltigen pädagogischen Material erzählt, das es in deutschen Kitas gibt. Hiervon hofft sie einiges nach Goma mitnehmen zu können.

Ausblick

Dass der Wissenstransfer wechselseitig erfolgen soll, man sich gemeinsam auf den Weg mache, sei der Kern des Fachkräfteaustausch-Projekts, betont auch Pfarrer Jörg Beckers von der Evangelischen Kirchengemeinde Saarlouis, die Trägerin der Kindertagesstätte ist. „Es ist uns ganz wichtig zu zeigen; Wir lernen von euch und ihr lernt von uns“, betont er in Richtung der Partner in Afrika.
Das Projekt „Bilinguale Kita“ ist auf drei Jahre ausgelegt und finanziert. So lange wird Aline Bulere auf jeden Fall im Saarland bleiben, eventuell ist auch eine Verlängerung denkbar. Dann aber, so der Wunsch der kirchlichen Verantwortlichen im Kongo und im Saarland, soll sie nach Goma zurückkehren. Lässt es die Sicherheitslage zu, könnte sie von einer saarländischen Erzieherin begleitet werden.

 





Zurück